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Peter Ustinov passte zu Berlin
Von Kai Ritzmann
Er passte einfach zu Berlin: Sir Peter Ustinov beim Besuch der "United Buddy Bears" am Brandenburger Tor
Foto: Peter Meißner
Er kam so oft in diese Stadt, dass wir uns an ihn schon fast gewöhnt hatten. Und dennoch geriet jeder Auftritt zu einer Show, oft heiter, gelegentlich bewegend, immer aber glanzvoll. Berlin hat dem verstorbenen Peter Ustinov viel zu verdanken.
Natürlich schätzte auch er die großen Häuser. Aber richtig wohl gefühlt hat er sich dort, wo der Hotelgast noch wie ein Freund empfangen wird. "Er liebte das Vertraute", sagt Astrid Fricke, Geschäftsführerin des Apart-Hotels an der Heerstraße, in dem Peter Ustinov seit mehr als zehn Jahren regelmäßig das Penthouse buchte. Als der Schauspieler einmal im Adlon abstieg, weil die gewohnte Westend-Bleibe gerade umgebaut wurde, erklärte er, dass ihm bereits ein Bett, ein Schrank und ein Fernseher zufrieden stellen würden.
"Er brauchte keine Suite", sagt Frau Fricke. Ustinov brauchte wenig, nur etwas Fürsorge. "Wir haben", sagt die Hotel-Frau, "auf ihn geachtet." Zum Beispiel darauf, dass er zwei gleiche Socken trug. Oder dass er rechtzeitig zum vereinbarten Termin kam - und sei es in einem alten 2CV zu einem Empfang im ICC. Die "Ente" wollte das Protokoll zunächst nicht durchlassen. Erst als Sir Ustinov vom Beifahrersitz herüberwinkte, durfte der wenig standesgemäße Wagen vorfahren.
Eine Freude konnte dem Bescheidenen das Hotel bereits mit einem "Karottensüppchen" machen, das man auch regelmäßig vorhielt. Morgens sprach Ustinov gelegentlich mit seinem Frühstücksei, sehr zur Heiterkeit des Personals. "Er wollte Berlin kennen lernen", erinnert sich Astrid Fricke, "er freute sich über den Aufschwung, den die Stadt nimmt."
Peter Ustinov war zu einem Stammgast in Berlin geworden. Besonders seit dem Mauerfall fühlte er sicht sichtlich wohl in dieser Stadt. Er kam mit Freude her - und er verbreitete Freude. Sein Lächeln und sein Schalk waren legendär - und Berlin, dieser nicht gerade durchgängig heitere Ort, sog diese Leichtigkeit des Weisen begierig auf. Wie zur Besiegelung seiner Bindung an die Stadt, beging er hier 2001 seinen 80. Geburtstag. Erst feierte der Künstler im Theater des Westens mit großer Show und vielen Kollegen, dann feierte der Weltbürger beim Bundespräsidenten mit Rudolf Augstein und Daniel Barenboim in intimer Runde. So sollte es sein. Berlin ehrte einen, auf den es stolz sein konnte und stolz sein wollte.
Ustinov hatte die Lacher stets auf seiner Seite. Etwa als er im vergangenen Jahr anlässlich der Quadriga-Verleihung die Rede auf Preisträger Armin Mueller-Stahl hielt. Schon von schwerem Diabetes gezeichnet, musste Ustinov die Laudatio im Sitzen halten - was dazu führte, dass seine roten Socken ausgezeichnet zur Geltung kamen. Das Publikum im Schauspielhaus quittierte es mit Schmunzeln und war ergriffen, als Ustinov erzählte, als Kind den Reichstag brennen gesehen zu haben. "Das war", fügte Ustinov hinzu, "eine wunderbare Vorbereitung auf Fosters wundervolle Arbeit." Wer sonst hätte sich derlei kühne Gedankensprünge leisten dürfen? Aber wie glücklich war man über diesen Mann von Welt. Über seinen altersweisen, jungenhaften Witz, seinen Geist, seine vollkommene intellektuelle und politische Unabhängigkeit.
Er war da, wenn man ihn brauchte, und Berlin brauchte ihn eigentlich an allen Ecken und Enden, seine Menschlichkeit, seinen Charme, seine Aura, seinen Anekdotenreichtum, seine Bonmots. Als Ustinov im Oktober vergangenen Jahres ins Audimax der Freien Universität kam, um mit einer kurzen Ansprache das Wintersemester zu eröffnen, eroberte er die Herzen der Studenten im Sturm. Nur mit Mühen schaffte er den Weg hinauf zum Podium. Schwer war sein Schritt, jeder Handgriff suchte Halt. Ustinov hatte diesen Auftritt weiß Gott nicht nötig, aber er wollte den jungen Leuten etwas sagen. Er sprach über seine Schulzeit. Natürlich war er kein guter Schüler - wie alle genialen Menschen. Vor allem aber verteidigte er die Freiheit des Einzelnen und zeigte sich skeptisch gegen die große Masse. Selbst in die Politik zu gehen, habe er sich versagen müssen: "Ich konnte mir nicht leisten, immer Recht zu haben." 1800 Erstsemestler quittierten die Rede mit stehenden Ovationen.
Peter Ustinov war in Berlin präsent. Er scheute nicht den Kontakt zu den einfachen Menschen, und er war per Du mit anderen Zelebritäten. Die Arbeit als Unicef-Botschafter brachte ihn in der Hauptstadt oft mit anderen Berühmtheiten zusammen, die Beziehungen zu Christina Rau und Sabine Christiansen galten als besonders eng. Man sah ihn im Schloss Bellevue, in Promi-Restaurants, unter freiem Himmel, zuletzt sogar im Rollstuhl. Man konnte ihn ansprechen - und musste allerdings auf eine schlagfertige, hintergründig-komische Antwort gefasst sein. Gelegentlich führte er mehrere Interviews gleichzeitig, bei Bedarf auch in verschiedenen Sprachen.
Ustinovs Weltgewandtheit adelte noch jede Berliner Festlichkeit. Wenn es gelang, sich seiner zu versichern, brauchte man sich um ein gewisses intellektuelles Niveau der Veranstaltung keine Sorgen mehr zu machen. In seiner Gegenwart sonnte sich manch einer gern. Denn Ustinov gab Glanz, den Glanz einer Schauspielerlegende genauso wie den Glanz eines immer klugen Kopfes. Ein Abend mit ihm war kein verlorener Abend.
Er schonte sich nicht. Auch für kurze Arbeitsbesuche setzte er sich in Genf ins Flugzeug. Und wenn er in Berlin war, ob zur Eröffnung der Buddy-Bären-Ausstellung am Pariser Platz oder im Haus der Kulturen zum 50-jährigen Bestehen von Unicef Deutschland, geriet sein Auftritt zu einem kleinen Fest. Es wurde gescherzt, gelacht. Irgendwie wurde die Situation dann sehr berlinisch. Peter Ustinov passte zu Berlin. Und alle haben dies dankbar gespürt.
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